Ja ..., während der leichte Wind durch das halb offene Fenster die allzu oft gewaschene Gardine wie silbrige Algenfahnen am Meeresgrund über den Schreibtisch des Chronisten streichen lässt, erinnert er sich ...

 

Damals, 1994 ... Praach - die goldene Stadt.

 

 

Die Stadt der 1000 Türme, Heimat von Karel Gott und Drehort unzähliger tschechischer TV-Grotesken. Die an der Moldau gelegene Hauptstadt des Landes, dessen Sprache eine grauenvolle Grammatik, aber im Deutschen einen wunderschönen Akzent hat. Die Stadt der 100 Biere, des Becherovka und eines göttlichen Getränks namens Krusovice. Wie anders kann man erklären, dass man sich morgens in eine kleine, in einer abgelegenen Nebenstraße liegende Kneipe setzt und vor Sonnenuntergang nicht wieder aufsteht? Wieder schleichen sich vor Konsonanten und Akzenten strotzende Namen in das Gedächtnis des Chronisten. Wieder wird das Hirn des Chronisten durch Bilder von Kegelbrüdern mit bemerkenswert ausgeuferten Frisuren gemartert. Und wieder schleicht sich ein versonnenes Lächeln in sein vor Lebenserfahrung zerfurchtes Gesicht, als er sich an die Zeiten erinnert, da man sich für den Preis eines heutigen Snickers an einer deutschen Autobahn- Raststätte in Prag jedoch noch einen ganzen Tag lang mit bestem Bier versorgen konnte. Alle hatten damals überlebt. Den Start im Havanna in Osnabrück, das Frühstück irgendwo kurz vor Grenzübertritt mit als Rührei getarntem Montageschaum, die Passkontrolle, den gefährlichen Schwarzbier-Großversuch in einer unscheinbaren Pinte und der verzweifelte Versuch, dem Taxifahrer den an Vokal-Armut krankenden Namen eines Hotels beizubringen. Nicht ohne Stolz und Genugtuung blicken wir zurück. Vor allem in dem guten Gefühl, den tschechischen Bauarbeitern beige-bracht zu haben, niemals an einem Wochenende Werkzeug auf einer Großbaustelle zu vergessen